Bestimmung der Entfernungen astronomischer Objekte

 

 

Inhalt

·         0) Einleitung

o        a) Zweck dieses FAQs

o        b) Übersicht

·         1) Geometrie

o        a) Einleitung

o        b) Messungen

o        c) Andere geometrische Methoden

·         2) Spektroskopische Methode

o        a) Stellare Photometrie und Spektroskopie

o        b) Das Hertzsprung-Russell-Diagramm

o        c) Entfernungsbestimmung mit dem H-R-Diagramm

·         3) Standardkerzen und kosmologische Entfernungen

o        a) Cepheiden

o        b) Supernovae

·         4) Die kosmologische Rotverschiebung

·         5) Zusammenfassung

·         Literatur

·         Danksagung

0)Einleitung

a) Zweck dieses FAQs

Ursprünglich wurde diese Seite als FAQ-("Frequently Asked Questions") Seite für das Archiv der Newsgruppe talk.origins geschrieben, welche sich mit Debatten über "biologische und physikalische Ursprünge" befasst. Primär richtet sie sich gegen die vor allem in den USA sehr aktive "Kreationismus"-Bewegung, welche die Sechs-Tage-Schöpfungsgeschichte der Bibel wörtlich nimmt und deshalb unter anderem auch behauptet, die Welt sei erst einige tausend Jahre (6 000 – 10 000) alt. Ein oft benutztes Argument gegen diese Behauptung ist die Tatsache, dass wir astronomische Objekte sehen können, die sich in Entfernungen von Milliarden von Lichtjahren befinden (ein Lichtjahr ist die Entfernung, die Licht in einem Jahr zurücklegt: etwa 9,5 * 1012 Kilometer). Offensichtlich benötigt das Licht Milliarden von Jahren, um uns zu erreichen – und folglich muss das Universum Milliarden von Jahren alt sein.

Allerdings wissen viele Leute nicht, wie die Entfernungen zu astronomischen Objekten bestimmt werden können. Ohne ein solches Wissen könnte man denken, dass mit den Methoden der Wissenschaftler vielleicht etwas nicht stimmt, und in Wirklichkeit alle Objekte, die wir am Himmel sehen können, uns sehr viel näher sind als behauptet. In diesem FAQ werden ich deshalb versuchen, die in der Astronomie benutzten Methoden zu erklären. Dies ist sicher auch von allgemeinen Interesse – auch hier in Deutschland, wo die Kreationismus-Bewegung praktisch nicht existiert und damit der ursprüngliche Zweck des FAQs wegfällt. Die in der englischen Version enthaltenen Argumente gegen einige der häufigsten Einwände der Kreationisten sind dementsprechend hier weggelassen. Da dieses FAQ ursprünglich für den englischsprachigen Raum konzipiert war, sind dementsprechend die meisten Links und Literaturverweise zu englischen Quellen; ich bitte dies zu entschuldigen.

Im Folgenden beschränke ich mich auf die am besten bekannten und am häufigsten benutzten Methoden der Astronomie. Weitere Informationen können beispielsweise auf den Seiten Stellar Astronomy und The ABC's of Distances gefunden werden.

b) Übersicht

Zur Bestimmung der Entfernung astronomischer Objekte benutzt man eine Art von “Leiter” verschiedener Methoden: jede Methode funktioniert nur innerhalb einer gewissen begrenzten Reichweite, und jede Methode, die weiter hinausgreift, baut (im Allgemeinen, aber nicht immer!) auf den Daten, die mit den vorherigen Methoden ermittelt wurden, auf. Zunächst muss man die Entfernung der Erde zur Sonne kennen; diese Entfernung heißt eine astronomische Einheit (AE) und beträgt in etwa 150 Millionen Kilometer.

Die nächste Leitersprosse besteht aus mehreren recht einfachen geometrischen Methoden; mit diesen kann man einige hundert Lichtjahre weit hinaus gehen (ähnliche Methoden können allerdings auch für weit größere Entfernungen benutzt werden). Dies wird in Abschnitt 1 behandelt.

Verwendet man die Daten, die mit diesen geometrischen Methoden gewonnen wurden, und nimmt die Photometrie und die Spektroskopie hinzu, so erreicht man die nächste Leitersprosse. Das wichtigste Hilfsmittel bei diesen spektroskopischen Methoden ist das sogenannte „Hertzsprung-Russell-Diagramm"; siehe Abschnitt 2.

Für noch größere Entfernungen im Kosmos benötigt man ein weiteres Element: sogenannte „Standardkerzen”. In Abschnitt 3 wird erklärt, was das ist und wie man sie benutzt.

In Abschnitt 4 erkläre ich die kosmologische Rotverschiebung und die Hubble-Beziehung, welche für wirklich große Entfernungen (mehrere hundert Millionen oder sogar mehrere Milliarden Lichtjahre) benutzt werden.

Abschnitt 5 gibt schließlich eine kurze Zusammenfassung.

 

1) Geometrie

a) Einleitung

Die Entfernung zu nahen Sternen kann mittels ihrer sogenannten Parallaxen bestimmt werden.

Für eine einfache Demonstration, was man darunter versteht, halten Sie einen Finger aufrecht vor Ihre Nase (in einer Entfernung von einigen Zentimetern), und schauen Sie diesen zunächst mit geschlossenem linken, dann mit geschlossenem rechten Auge an. Wenn Sie seine Lage mit Objekten im Hintergrund vergleichen, werden Sie feststellen, dass sich der Finger anscheinend bewegt, wenn Sie von einem Auge zum anderen wechseln! Die Erklärung dafür ist recht offensichtlich: Ihre beiden Augen befinden sich nicht an derselben Stelle, und deshalb haben sie verschiedene Sichtlinien auf den Finger: sie müssen in verschiedene Richtungen (Winkel) schauen, um den Finger zu sehen.

Die Winkel, unter denen Ihre Augen den Finger sehen, hängen offensichtlich vom Abstand des Fingers zu Ihrer Nase ab. Noch wichtiger: der Unterschied zwischen den Winkeln hängt von diesem Abstand ab; er wird kleiner, umso größer der Abstand wird. Folglich kann dieser Winkelunterschied benutzt werden, um die Entfernung zu bestimmen (sofern man die rechnerische Beziehung zwischen diesen beiden Größen kennt – doch dies ist relativ einfache Trigonometrie). Und genau dieser Winkelunterschied ist es, was als Parallaxe bezeichnet wird (äquivalent dazu ist: die Parallaxe ist der Winkel, unter dem Ihre Augen von dem betrachteten Objekt gesehen werden). Der Abstand Ihrer Augen wird in diesem Zusammenhang die Grundlinie genannt; je größer die Grundlinie ist, desto größer ist die Parallaxe (für denselben Abstand des betrachteten Objekts).

Die Sterne haben sehr große Entfernungen; ihre Parallaxen sind so klein, dass die kurze Grundlinie von einem Auge zum anderen offensichtlich viel zu klein ist. Doch glücklicherweise stellt uns die Natur selbst eine ziemlich große Grundlinie für unsere Abstandsmessungen zur Verfügung: der Durchmesser der Erdumlaufbahn. Man muss nur schauen, wo (unter welchem Winkel) man einen Stern im Sommer am Himmel sieht, und dann wiederum im Winter, wo (unter welchem Winkel) man ihn am Himmel sieht, den Winkelunterschied berechnen – und damit hat man dann schon die Parallaxe des Sterns. Benutzt man dies und die Länge der Grundlinie (2 AE = 300 Millionen Kilometer), so kann man die Entfernung des Sterns berechnen. Das folgende Bild veranschaulicht dies:

Illustration of a parallax. The distance to the star measured in parsecs is two divided by difference between two measurements of the angle to the star measured six months apart.

Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang oft auftaucht, ist Parsek (ein Kurzwort für „Parallaxen-Sekunde“); dies ist der Abstand eines Sterns, der eine Parallaxe von zwei Bogensekunden hätte – oder, äquivalent, die Entfernung von unserer Sonne, in der Abstand zwischen Erde und Sonne (1 AE) unter einem Winkel von einer Bogensekunde gesehen würde. Eine Bogensekunde ist dabei der 60ste Teil einer Bogenminute, welche wiederum der 60ste Teil eines Grades ist. Ein Parsek ist damit etwa 206 000 AE, also etwa 3,09 * 1013 Kilometer, was etwa 3,26 Lichtjahren entspricht. Diese Einheit ist sehr nützlich, da für große Entfernungen (kleine Parallaxen) die Entfernung einfach umgekehrt proportional zur Parallaxe ist: ein Stern mit einer Parallaxe von x Bogensekunden hat eine Entfernung von 2/x Parsek.

Allerdings muss man aufpassen, was genau gemeint ist, wenn man „Parallaxe“ hört: In der Astronomie meint dies normalerweise die sogenannte „jährliche Parallaxe“, welche der Unterschied in den Winkeln ist, unter dem ein Stern von der Erde bzw. von der Sonne aus gesehen wird – nicht der Unterschied in den Winkeln, unter denen der Stern von der Erde aus im Sommer bzw. im Winter gesehen wird. Diese jährliche Parallaxe (oft mit p bezeichnet) ist gerade die Hälfte der Parallaxe x, die oben eingeführt wurde. Also ist der Abstand eines Sterns (in Parsek) gerade durch 1/p gegeben, wenn p in Bogensekunden gemessen wird.

Im Parallax Lab können Sie spielerisch ein gewisses Gefühl für diese Entfernungsbestimmungs-Methode gewinnen.

b) Messungen

Selbst die Sterne in unserer nächsten Nachbarschaft sind bereits weiter als ein Parsek entfernt – ihre Parallaxen sind also kleiner als eine Bogensekunde. Um solch kleine Winkel genau zu messen, benötigt man sehr empfindliche Messinstrumente.

Der erste, dem es gelang, die Parallaxe eines Sterns (61 Cygni) zu messen, war der Astronom und Mathematik Wilhelm Bessel im Jahre 1838, am Observatorium Königsberg. Er erhielt damals einen Wert von 0.314 Bogensekunden für die jährliche Parallaxe (der moderne Wert ist 0.292 Bogensekunden), woraus sich eine Entfernung von etwas mehr als 10 Lichtjahren ergibt.

Selbst mit dieser damals verfügbaren Genauigkeit (mit der Entfernungen bis zu etwa 10 Lichtjahren messbar waren) konnte man allerdings bereits zeigen, dass die meisten Sterne sehr viel weiter weg sein müssen: Indem man die Entfernung von möglichst vielen nahen Sterne misst, kann man eine Abschätzung für die durchschnittliche Sterndichte (die durchschnittliche Anzahl von Sternen pro Kubiklichtjahr) gewinnen. Zählt man dann einfach die Anzahl der sichtbaren Sterne und teilt dies durch die durchschnittliche Dichte, so erhält man eine untere Grenze für die Größe des Universums. Offensichtlich setzt dies voraus, dass die Sterndichten in allen Bereichen in etwa gleich sind – aber bereits ein Vergleich der Winkelabstände der Sterne am Himmel zeigt, dass diese Annahme wohl gerechtfertigt ist. Allerdings würde selbst aus der Annahme einer sehr viel größeren mittleren Sterndichte ein sehr großes Universum folgen, da (mit Teleskopen) eine sehr große Anzahl von Sternen sichtbar ist.

In den Jahrzehnten nach Bessels Messungen nahm die Genauigkeit der Instrumente stark zu – aber immer blieb das Problem der Erdatmosphäre, welche zu Fehlern in den Winkelmessungen führt (beispielsweise führen Dichteschwankungen in der Atmosphäre dazu, dass die Bilder verschmiert werden). Um dieses Problem zu umgehen, wurde 1989 der Satellit HIPPARCOS gestartet Dieser maß die Positionen, Parallaxen und andere Parameter für nahezu 120 000 nahe Sterne. Dabei wurde im Mittel eine Genauigkeit von 0.97 Millibogensekunden (eine Millibogensekunde ist ein Tausendstel einer Bogensekunde) bei den Parallaxenmessungen erreicht. Im HIPPARCOS-Katalog, der aus den gemessenen Daten zusammengestellt wurde, finden sich tausende von Sternen mit Parallaxen kleiner als 2 Millibogensekunden – die also weiter als 500 Parsek (1,630 Lichtjahre) entfernt sind.

Im Jahre 2010 soll ein weiterer Satellit, GAIA, gestartet werden. Er wird in der Lage sein, die Entfernungen sogar noch fernerer Sterne (bis zu 10 Kiloparsek, also10 000 Parsek oder 32 600 Lichtjahre) zu bestimmen.

Benutzt man Radiowellen statt sichtbarem Licht, kann man bereits hier auf der Erde, ohne Satelliten, sogar noch kleinere Parallaxen messen. Die dafür benutzte Methode heißt Very Long Baseline Interferometry: Zwei Radioteleskope mit großen Abständen (normalerweise auf verschiedenen Seiten der Erde) werden in einer Weise zusammengeschaltet, welche die Messung von Winkeln bzw. Winkelunterschieden stark verbessert (die Genauigkeit beträgt etwa 100 Mikrobogensekunden, also 0,1 Millibogensekunden). Mit dieser Methode wurden die Entfernungen von Pulsaren (Sterne, die vor allem aus Neutronen bestehen und regelmäßig Radiopulse abstrahlen) gemessen (Brisken et al. 2002); die größte dabei gefundene Entfernung beträgt etwa 2 300 Parsek (8 000 Lichtjahre).

c) Andere geometrische Methoden

Ähnliche geometrische Methoden können selbst noch für Objekte in Entfernungen von Milliarden von Lichtjahren (Galaxien and Quasare) benutzt werden. In diesen Fällen muss man die Größe des Objekts kennen. Misst man dann den Winkel zwischen den zwei Seiten des Objekts, so kann man aus dem Winkelunterschied den Abstand bestimmen. Das „einzige“ verbleibende Problem ist also, die tatsächliche Größe des Objekts zu ermitteln.

Eine Methode hierfür ist, zunächst den Typ des Objekts (Stern, Galaxie, Gasscheibe oder –wolke usw.) zu bestimmen, dann so viele als möglich seiner Parameter (Leuchtkraft, Masse, Winkelabstand zu anderen Objekten usw.) zu bestimmen und dann zu versuchen, das Objekt aufgrund dieser Daten zu modellieren und damit seine Größe zu erhalten. Auf diese Weise wurde beispielsweise der Abstand der Galaxie NGC 4258 bestimmt (Herrnstein et al. 1999). Die Objekte, die in diesem Fall beobachtet und modelliert wurden, waren Wasserdampf-Wolken, die um den Kern dieser Galaxis kreisen und eine charakteristische Mikrowellenstrahlung abgeben. Beobachtungen zeigten, dass sich die Frequenz dieser Strahlung periodisch ändert (aufgrund des Doppler-Effekts: eine Verschiebung in der Wellenlänge der beobachteten Strahlung, die proportional zur Geschwindigkeit ist, mit der sich die Wolken bewegen). Die damit bekannte zeitliche Abhängigkeit der Geschwindigkeiten konnte benutzt werden, um die genauen Umlaufbahnen zu bestimmen, einschließlich des Abstands der Wolken zum Zentrum der Galaxie – und damit die Größe des beobachteten Objekts. Es ergab sich, dass NGC 4258 etwa 7,2 Millionen Parsek (etwa 23,5 Millionen Lichtjahre) von uns entfernt ist, mit einer Unsicherheit von nur etwa 5%.

Mit einer ähnlichen Methode wurde der Abstand zum Zentrum unser eigenen Galaxis bestimmt: mittels mehrerer hochpräziser Messungen wurde die Umlaufbahn eines einzelnen Sterns um das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis modelliert. Diese Berechnungen ergaben dann den Abstand zum galaktischen Zentrum: 8 Kiloparsek (etwa 26 000 Lichtjahre), in exzellenter Übereinstimmung mit anderen Messungen dieser Entfernung (Eisenhauer 2003).

Ein andere Methode benutzt die Lichtgeschwindigkeit. Ein hübsches Beispiel hierzu ist die Supernova-Explosion SN1987A, welche im Jahre 1987 in der Großen Magellanschen Wolke statt fand, einer unserer eigenen Galaxis, der Milchstraße, nahen Galaxie (weitere Informationen zu Supernovae finden sich in Abschnitt 3b und den dort angegebenen Links). Vor der Explosion war der Stern bereits von einem Staubring umgeben. Dieser Ring begann etwa ein Jahr nach der Supernova-Explosion zu leuchten, als er vom Licht der Explosion erreicht wurde. Also wissen wir, dass der Durchmesser des Rings etwa zwei Lichtjahre beträgt, und aus dem Winkeldurchmesser am Himmel erhält man dann das Ergebnis, dass die Supernova etwa 169 000 Lichtjahre entfernt ist. Dies stimmt gut mit anderen Entfernungenbestimmungen für die Große Magellansche Wolke überein (Panagia et al. 1991; eine ausführlichere Erklärung findet sich beispielsweise auf der Seite Greene's Creationism Truth Filter).

Eine weitere Möglichkeit ist, die Bewegungen von Teilen eines Objekts zu beobachten (also wie schnell sich die Winkel zwischen diesen Teilen ändern) und dies mit den Geschwindigkeiten zu vergleichen, die man aus Messungen des Doppler-Effekts erhält. Diese Methode wurde beispielsweise benutzt, um die Entfernung des Quasars 3C 279 zu bestimmen (Homan 2000); es stellte sich heraus, dass dieser zwischen 1.5 und 2.3 Gigaparsek weit weg ist. Ein Gigaparsek ist eine Milliarde Parsek; die Entfernung beträgt also in etwa 6 Milliarden Lichtjahre. Allerdings gibt es auch bei dieser Methode Probleme: beispielsweise muss man den Winkel zwischen der Richtung der beobachteten Bewegung und der Sichtlinie kennen, um ein sinnvolles Ergebnis zu erhalten.

 

2) Spektroskopische Methode

a) Stellare Photometrie und Spektroskopie

Bei Sternen mit so großen Entfernungen, dass ihre Parallaxen (noch) nicht messbar ist, wird vor allem die Photometrie benutzt, also Messungen ihrer Helligkeiten. Aus der Physik ist bekannt, dass die Helligkeit proportional zum Quadrat des Abstands abnimmt (für doppelte Entfernung sieht man ein Objekt nur noch ein Viertel so hell); dieser Zusammenhang zwischen Helligkeit und Abstand ist auch als „inverse square law“ bekannt. Dieses Gesetz muss leicht abgeändert werden, wenn man die Allgemeine Relativitätstheorie und die Ausdehnung des Universums berücksichtigt – aber diese Änderungen sind für Sterne in unserer Galaxis und anderen nahen Galaxien völlig unwesentlich.

Mit Hilfe dieses Gesetzes kann man die Entfernung eines Sterns bestimmen, sofern man seine Helligkeit in einer festgesetzten Referenzentfernung kennt. Diese Standard-Referenzentfernung der Astronomie beträgt 10 Parsek. Die Helligkeit, die für einen Stern auf der Erde gemessen würde, wenn er sich in dieser Entfernung von uns befände, wird die absolute Helligkeit des Sterns genannt. Die tatsächlich auf der Erde gemessene Helligkeit nennt man dagegen die scheinbare Helligkeit.

Damit ist das einzig verbleibende Problem, wie man denn die absolute Helligkeit eines Sterns wissen kann – ohne vorher die Entfernung bestimmen zu müssen! Die Lösung dieses Problems kommt aus der Spektroskopie, von Untersuchungen der Spektren naher Sterne, für die die Entfernungen aufgrund von Parallaxenmessungen bekannt sind.

Wenn man sich das Spektrum eines Sterns anschaut (das Licht, das man von ihm sieht, aufspaltet und sich jede Wellenlänge (Farbe) getrennt anschaut, beispielsweise mittels eines Prismas), sieht man bei einigen Wellenlängen (Farben) dunkle Linien – bei diesen Wellenlängen wird weit weniger Licht abgestrahlt als bei den anderen. Die Standarderklärung hierfür ist, dass Atome in der Atmosphäre des Sterns dieses Licht absorbieren – und jedes Element absorbiert nur Licht bei bestimmten, charakteristischen Wellenlängen. Wenn die Atome angeregt werden, geben sie Licht bei genau diesen Wellenlängen ab – also kann man herausfinden, welche der Spektrallinien zu welchem Element gehören. All dies sind wohlbekannte physikalische Phänomene, die bereits im 19. Jahrhundert von Bunsen und Kirchhoff untersucht wurden. Ein Java-Applet der Universität von Oregon zeigt für alle Elemente die Spektrallinien, sowohl für Absorption als auch für Emission.

Man kann also herausfinden, welche Elemente sind in einer Sternatmosphäre befinden, indem man die dunklen Linien im Sternspektrum untersucht. Dabei stellte man fest, dass Sterne sich in Gruppen, die sogenannten Spektralklassen einteilen lassen. Jede Klasse hat dabei ein bestimmtes Muster von dunklen Linien im Spektrum. Die Spektralklassen werden mit den Großbuchstaben O, B, A, F, G, K und M bezeichnet (und einige andere für Sonderfälle; bekannte Merksprüche sind hier „O, be a fine girl/guy, kiss me“ oder „Offenbar benutzen Astronomen furchtbar gerne komische Merksprüche.“ Auf der Seite Spektralklassen der Universität München finden sich weitere Informationen und konkrete Beispiele hierzu.

Außerdem stellt man fest, dass jeder Spektralklasse eine bestimmte Farbe der Sterne entspricht – und aus der Strahlungstheorie ist bekannt, dass die Farbe von der Oberflächentemperatur abhängt (dies gilt nicht nur für Sterne, sondern ist auch aus dem täglichen Leben bekannt; wird beispielsweise Eisen erhitzt, so glüht es erst rot, dann gelb und schließlich bei weiterer Erhitzung weiß). Für Sterne der Spektralklasse O ist die Temperatur am höchsten, zur Klasse M hin nimmt sie immer mehr ab. Unsere eigene Sonne (Spektralklasse G) hat eine Oberflächentemperatur von  etwa 5 800 Kelvin (etwa 5 500 Grad Celsius). Die Farbe geht von weiß in der Klasse O über blau zu gelb in Klasse G und dann zu orange und schließlich rot in Klasse M.

b) Das Hertzsprung-Russell-Diagramm

Nach all diesen einleitenden Worten kommen wir nun zum interessanten Teil: wenn man ein Diagramm für (nahe) Sterne bekannter Entfernungen (aus den Parallaxen) und damit bekannter absoluter Helligkeiten erstellt, wobei auf einer Achse des Diagramms die Spektralklasse / Farbe / Temperatur und auf der anderen die absolute Helligkeit aufgetragen wird, so erhält man (vor allem) eine ziemlich schmale Linie! Das heißt, dass die absolute Helligkeit von der Spektralklasse / Farbe / Temperatur abhängt. Kennt man also die Spektralklasse / Farbe / Temperatur, so erhält man aus diesem Diagramm leicht seine absolute Helligkeit.

Solch ein Diagramm heißt Hertzsprung-Russell-Diagramm, nach den zwei Astronomen, die es erfunden haben (unabhängig voneinander: der erste 1911, der zweite 1913). Die Linie, auf der die meisten Sterne liegen, heißt die Hauptreihe. Ein Beispiel für solch ein Diagramm, welches aus Daten des oben erwähnten HIPPARCOS-Satelliten erstellt wurde, kann auf der Seite The Hertzsprung-Russell Diagram gefunden werden; weit mehr Diagramme finden sich in der Postscript-Datei Statistical Properties: Astrophysical Relationships. Genauer: in dieser Datei finden sich sogenannte Zwei-Farben-Diagramme. Diese entstehen, indem man die Helligkeit eines Sterns bei zwei verschiedenen Wellenlängen misst, und dann auch der einen Achse die Different dieser beiden Helligkeiten und auf der anderen eine der beiden Helligkeiten aufträgt. Laut der Strahlungstheorie hängt die Differenz zweier Helligkeiten bei verschiedenen Wellenlängen eng mit der Oberflächentemperatur zusammen; damit sind solche Diagramme im Wesentlichen äquivalent zu den „üblichen” Hertzsprung-Russell-Diagrammen.

Zu beachten ist hier auch, dass die Theorie der Sternentwicklung sogar voraussagt, dass man im Wesentlichen eine Linie (statt einer zufälligen Verteilung) erhalten sollte, wenn man die absolute Helligkeit gegen die Oberflächentemperatur aufträgt. Die physikalischen Gesetze führen nämlich zu einem engen Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen: die absolute Helligkeit hängt davon ab, wie viel Energie in einem Stern erzeugt wird, dies hängt wiederum von der Masse des Sterns ab (und davon, welche Kernreaktionen in ihm statt finden), die Masse legt die Größe fest (Volumen und Oberfläche), und die Oberfläche, zusammen mit der absoluten Helligkeit, legt die Temperatur fest. Es folgt, dass für alle Sterne mit denselben Kernreaktionen in ihrem Inneren die absolute Helligkeit die Oberflächentemperatur eindeutig festlegt – und umgekehrt.

Allerdings gibt es auch viele Sterne, die nicht auf der Hauptreihe liegen (siehe das oben erwähnte Beispiel-Diagramm). Wenn sie darüber liegen, nennt man sie Riesen; liegen sie darunter, heißen sie Zwerge. Dies liegt daran, dass für zwei Sterne gleicher Temperatur aus der Strahlungstheorie folgt, dass der hellere der beiden die größere Oberfläche haben muss, also größer sein muss. Nach dem oben gesagten folgt, dass in den Riesen und Zwergen andere Kernreaktionen statt finden müssen als in den Hauptreihen-Sternen – und in der Tat sagt die Sternentwicklungs-Theorie voraus, dass es Sterne mit unterschiedlichen Kernreaktionen in ihrem Inneren geben muss.

Um die Hauptreihe, die Riesen und Zwerge zu erklären, müsste man die ganze Theorie der Sternentwicklung  erklären, was offensichtlich über den Rahmen dieser Seite hinaus geht. Im Wesentlichen muss man nur wissen, dass sich Sterne während eines Großteils ihres „Lebens“ auf der Hauptreihe befinden und in dieser Zeit Wasserstoff „verbrennen“ (mit dem hier oft benutzten Wort „verbrennen“ ist keine chemische Reaktion gemeint, sondern eine Kernreaktion: Wasserstoffkerne verschmelzen zu Heliumkernen). Ist der Wasserstoff weitgehend verbraucht, schwellen sie zu Riesen an und verbrennen Helium und andere Elemente. Am Ende ihres Lebens, wenn alles verbraucht ist, was verbrannt werden kann, schrumpfen sie auf Zwerggröße und kühlen immer weiter aus (oder werden durch gigantische Supernova-Explosionen zerrissen – siehe Abschnitt 3b). Beispielsweise im Artikel Stellar Evolution & Death finden sich weitere Informationen hierzu.

Außerdem ist hier zu bemerken, dass die Theorie der Sternentwicklung auch Aussagen über die Lebenszeit von Sternen macht: heißere Sterne (die am oberen linken Ende der Hauptreihe liegen) sollten weit kürzer als kühlere Sterne (am unteren rechten Ende) leben. Schaut man sich also das H-R-Diagramm eines Sternhaufens (einer Gruppe von Sternen, die eng beieinander liegen und zur selben Zeit entstanden, also alle dasselbe Alter haben) und untersucht, welche Sterne noch auf der Hauptreihe liegen und welche bereits davon weggewandert und zu Riesen geworden sind, so kann man das Alter des Sternhaufens bestimmen. Irgendwo im oberen linken Bereich des Diagramms gibt es also keine Hauptreihe mehr, sondern die Sterne liegen auf einer anderen Linie, die von dort nach rechts oben führt; dieser Knick im Diagramm wird oft als „Knie“ bezeichnet. Die Theorie der Sternentwicklung sagt nun nicht nur voraus, dass solch ein Knick auftreten muss, sondern auch, welches Alter des Sternhaufens aus dessen Position folgt. Solche Sternhaufen-Alter liegen im Allgemeinen bei Milliarden von Jahren – konsistent mit den Erwartungen aus der Urknall-Theorie. Weitere Details hierzu finden sich beispielsweise auf der Seite Hertzsprung Russell Diagram And Stellar Evolution.

c) Entfernungsbestimmung mit dem H-R-Diagramm

Was hat denn all dies nun mit Entfernungsbestimmungen zu tun? Ganz einfach: man beobachtet die Sterne eines Sternhaufens (die Sterne eines Haufens haben alle in etwa dieselbe Entfernung von uns), misst ihre Oberflächentemperaturen (beispielsweise über die Spektralklassen) und scheinbaren (!) Helligkeiten, und zeichnet ein Hertzsprung-Russell-Diagramm basierend auf den Messdaten. Wieder erhält man eine Hauptreihe, einige Riesen und einige Zwerge – aber dieses Mal für die scheinbaren statt die absoluten Helligkeiten! Wenn man dieses neue Diagramm mit einem H-R-Diagramm für nahe Sterne vergleicht, sieht man, dass der Zusammenhang zwischen den beobachteten scheinbaren und den absoluten Helligkeiten für jeden Typ Stern derselbe ist. Und aus den so ermittelten Unterschieden zwischen den scheinbaren und den absoluten Helligkeiten kann dann schließlich die Entfernung des Haufens bestimmt werden. Zusammengefasst stellt also das Hertzsprung-Russell-Diagramm die fehlende Information zur Verfügung: die absolute Helligkeit von Sternen, für die wir nur die scheinbaren Helligkeit (und die Spektralklasse!) messen können.

Natürlich müssen wir hierfür einige Annahmen treffen – beispielsweise, dass die Elemente „da draußen“ dieselben Spektrallinien haben wie bei uns auf der Erde, dass Sternaufbau und –entwicklung wirklich so sind, wie von unseren Theorien vorhergesagt usw. Aber letztlich ist dies nur dieselbe Annahme, wie sie überall in der Wissenschaft benutzt wird: dass die Naturgesetze überall im Universum gleich funktionieren. Und die Tatsache, dass jede Untersuchung eines Sternhaufens bisher immer eine Hauptreihe, einige Riesen und einige Zwerge lieferte, in genau den Verhältnissen, wie aufgrund der Theorie der Sternentwicklung erwartet, weist deutlich darauf hin, dass diese Annahmen wohl stimmen.

 

3) Standardkerzen und kosmologische Entfernungen

Um den Abstand eines Objekts (wie eines Sternhaufens oder einer Galaxie) mit Hilfe des H-R-Diagramms zu bestimmen, muss man im Allgemeinen die Helligkeit vieler Sterne, auch lichtschwacher, messen, um ein verlässliches Diagramm zu erhalten. Lichtschwache Sterne können aber für große Entfernungen leider nicht mehr gesehen werden (wegen der quadratischen Helligkeitsabnahme). Außerdem können weit entfernte Objekte nicht mehr in einzelne Sterne aufgelöst werden, man erhält also keine einzelnen Sternspektren mehr und kann damit auch nicht mehr für einzelne Sterne die (im Diagramm benötigten) Spektralklassen bestimmen. Also muss man andere Methoden verwenden:  man benötigt helle Objekte, für welche die absolute Helligkeit gut bekannt ist. Misst man für diese außerdem die scheinbare Helligkeit, erhält man wieder leicht den Abstand.

Also ist wieder das verbleibende Problem, dass man die absolute Helligkeit des beobachteten Objekts kennen muss. Glücklicherweise gibt es verschiedene Arten von Objekten, für die man die absolute Helligkeit bestimmen kann, ohne ihre Entfernungen bereits zu kennen. Solche Objekte werden in der Astronomie Standardkerzen genannt. Im Folgenden werden die beiden am häufigsten verwendeten Typen solcher Standardkerzen beschrieben.

a) Cepheiden

Cepheiden sind veränderliche Sterne: sie ändern periodisch ihre Größe und Temperatur – und damit auch ihre Helligkeit. Wie dies im Detail funktioniert, wird durch die Theorie des Sternaufbaus und –entwicklung erklärt. Sie wurden nach dem ersten bekannten Mitglied dieser Klassen von Sterne, Delta Cephei, benannt.

Außerdem wurde beobachtet (wiederum in Übereinstimmung mit theoretischen Modellen), dass es eine Beziehung zwischen der (durchschnittlichen) Helligkeit dieser pulsierenden Sterne und ihrer Pulsationsdauer gibt. Weitere Erläuterungen und Diagramme, die diesen Zusammenhang illustrieren, finden sich beispielsweise auf den Seiten Cepheids und The discovery of Cepheid variables and the period-luminosity relation. Diese Beziehung wurde 1912 durch Henrietta Leavitt für Cepheiden in der Kleinen Magellanschen Wolke, einer nahen Kleingalaxis (etwa 200 000 Lichtjahre entfernt), entdeckt.

Da alle Sterne in der Kleinen Magellanschen Wolke etwa denselben Abstand zu uns haben, folgt aus der beobachteten Beziehung zwischen der scheinbaren Helligkeit und der Pulsationsdauer, dass es eine äquivalente Beziehung zwischen der absoluten Helligkeit und der Pulsationsdauer gibt. Und in der Tat stellte sich nach der Bestimmung der absoluten Helligkeiten vieler Cepheiden (in der Kleinen Magellanschen Wolke und anderswo) heraus, dass es in der Tat solch einen universellen Zusammenhang gibt (unterschiedliche chemische Zusammensetzungen haben hierauf zwar auch einen Einfluss, aber dies kann im Allgemeinen leicht berücksichtigt werden).

Um die Entfernung eines Sternhaufens oder einer Galaxie zu messen, muss man also nur in diesem/r einige Cepheiden finden (dies sind sehr helle Sterne, also ist dies nicht schwer, sofern die Galaxie nicht zu weit entfernt ist), ihre Pulsationsdauer messen, und aus der bekannten Beziehung die absoluten Helligkeiten bestimmen. Durch Vergleich mit den außerdem gemessenen scheinbaren Helligkeiten erhält man dann, wie bereits bekannt, die Entfernungen. Wenn all diese Entfernungen miteinander übereinstimmen (und dies tun sie in der Tat üblicherweise), so ist das Ergebnis offensichtlich der Abstand zum Haufen bzw. zur Galaxie, in der sie sich befinden. Dies funktioniert für Galaxien bis zu Entfernungen von einigen zehn Millionen Lichtjahren. Beispielsweise wurde der Abstand der Galaxie M100 auf diese Weise zu etwa 56 Millionen Lichtjahren bestimmt.

Offensichtlich ist der entscheidende Faktor bei dieser Methode, dass man den Zusammenhang zwischen der Pulsationsperiode und der absoluten Helligkeit möglichst genau kennen muss. Um diesen Zusammenhang festzulegen, muss man die Entfernungen möglichst vieler naher Cepheiden möglichst genau bestimmen. Früher wurde dies mit Hilfe des H-R-Diagramms und ähnlicher Techniken durchgeführt, aber heutzutage geht es direkter: der HIPPARCOS-Satellit lieferte Parallaxen-Messungen für mehrere Cepheiden. Die Auswertung dieser Messungen ist zwar  immer noch schwierig, aber im Allgemeinen stimmen diese neuen Daten gut mit den bereits früher akzeptierten überein. Mehr dazu findet sich beispielsweise auf den Seiten How is the Cepheid yardstick validated? und The Cepheid Distance Scale: A History, und im Abschnitt "Measuring the Universe" auf der Seite Hipparcos Pinpoints the Stars.

b) Supernovae

Ein weiterer Typ von Standardkerzen, welcher sehr hell ist und dementsprechend benutzt werden kann, um sogar noch Entfernungen von hunderten von Millionen Lichtjahren zu bestimmen, sind die riesigen Explosionen, welche das Lebens von großen Sternen beenden – so genannte Supernovae. Mehr über sie findet sich beispielsweise auf dieser Seite im talk.origins-Archiv: Supernovae, Supernova Remnants and Young Earth Creationism FAQ. Außerdem gibt es auf der Website Ask the Astronomer mehrere Seiten über Supernovae, beispielsweise What exactly happens to a star about to go supernova? und By what process do supernovae become Type I or Type II ?.

Das Schicksal von Sternen hängt von ihrer Masse ab (bitte beachten Sie, dass das folgende nur eine sehr kurze und vereinfachte Zusammenfassung ist!): kleinere Sterne, wie unsere eigene Sonne, schwellen gegen Ende ihrer „Lebenszeit“ zunächst an (wenn nicht mehr genügend Wasserstoff zum „Verbrennen“ in ihrem Inneren vorhanden ist und das „Heliumbrennen“ beginnt) und werden an der Oberfläche kälter (und damit röter), wodurch sie sich in einen roten Riesen verwandeln. Nachdem auch das Helium „verbrannt“ ist, haben sie keine weitere Energiequelle mehr übrig und fangen an, sich zusammenzuziehen und abzukühlen (allerdings stoßen sie vorher oft einen Großteil ihrer äußeren Schalen ab). Beim Zusammenziehen heizt sich die Oberfläche wieder auf (wird also weißer), sodass das Endresultat ein Weißer Zwerg ist.

Schwerere Sterne können dagegen nach der Roter-Riese-Phase, dem Heliumbrennen, auch noch weitere, schwerere Elemente in ihren Zentralbereichen „verbrennen“ (da sie einen höheren Druck und eine höhere Temperatur dort haben als die leichten Sterne), bis zu Eisen. Eisen ist (bezüglich der Kern-Bindungsenergie) das stabilste Element; es verbrennen würde Energie verbrauchen statt welche frei zu setzen. Nachdem die Kernreaktionen, die zum Eisen führten, abgeschlossen sind, haben die Sterne also keine Energiequelle mehr übrig und müssen in sich zusammen fallen. Dieser Kollaps führt dazu, dass der Kern eines Sterns zu einem Neutronenstern (oder sogar einem Schwarzen Loch) wird. Die aus den äußeren Schalen darauf einfallende Materie prallt davon ab, unterstützt von der enormen Energie, die beim Kernkollaps frei gesetzt wird. Das Ergebnis ist eine riesige Explosion, bei der die ganze Materie aus den äußeren Schalen des Sterns abgestoßen wird. Man beobachtet einen plötzlichen Helligkeitsausbruch und später eine große Menge an weg fliegendem „Schutt” (Gas und Staub); bei der SN1987A wurden außerdem sogar einige Neutrinos detektiert. In einigen Fallen konnte sogar der übrig bleibende Neutronenstar beobachtet werden. Diese Explosionen heißen Supernovae vom Typ II. Mehr Informationen dazu finden sich beispielsweise auf der HEASARC-Seite über Supernovae.

Da es aber leider keine universelle Beziehung zwischen der Helligkeit einer Supernova II-Explosion und anderen leicht beobachtbaren Parametern gibt, sind diese Supernovae nicht besonders nützlich für kosmische Entfernungsbestimmungen. Aber es gibt noch einen weiteren Typ von Supernova-Explosionen, die so genannten Supernovae vom Typ I. Diese können nur in Doppelsternsystemen (zwei Sterne, die umeinander kreisen) vorkommen. Wenn sie einander in kleinem Abstand umlaufen, so kann einer der Sterne Gas vom anderen auf seine Oberfläche hinab ziehen (dies nennt man Akkretion). Supernovae I können auftreten, wenn der akkretierende Stern ein Weißer Zwerg ist und durch die Akkretion eine bestimmte Grenzmasse übersteigt (die sogenannte Chandrasekhar-Grenze). Jenseits dieser Grenze ist der Stern so schwer, dass er in sich zusammen fällt. Durch den starken Druckanstieg kommt es im Inneren zu explosivem Kohlenstoff-„Brennen“, und die riesige dabei freigesetzte Energiemenge zerreißt den ganzen Stern. Beobachtet wird dabei ein plötzlicher Helligkeitsanstieg, gefolgt folgt einem relativ langsamen (exponentiellen) Abfall. Dazu kommt es, da die Helligkeit vor allem vom radioaktiven Zerfall des Nickels und Kobalts herrührt, die in der Explosion erzeugt wurden (ihre Spektrallinien können beobachtet werden), und radioaktive Zerfallsraten nehmen exponentiell mit der Zeit ab.

Nun kommt der wichtige Punkt: bei diesen Explosionen gibt es eine universelle Beziehung zwischen der Abnahmerate des beobachteten Lichts und der Gesamthelligkeit der Explosion. Durch genaue Beobachtung des Lichts, das wir von einer Supernova I empfangen, kann man die Rate bestimmen, mit der dieses Licht schwächer wird, und daraus erhält man dann direkt die absolute Helligkeit der Supernova. Durch Vergleich mit der beobachteten scheinbaren Helligkeit erhält man wieder wie üblich die Entfernung der Supernova – und damit auch der Galaxie, in der sie statt fand.

Messungen an weit entfernten Supernovae in den letzten Jahren (z.B. Riess 1998) führten zu weitreichenden und einschneidenden Folgerungen für die Kosmologie: sie zeigten, dass die Ausdehnung des Universums (siehe nächster Abschnitt) beschleunigt statt abgebremst verläuft – im Gegensatz zu den früheren Erwartungen.

4) Die kosmologische Rotverschiebung

Genaue Untersuchungen der Spektren von weit entfernten Galaxien (mindestens mehrere zehn Millionen Lichtjahre) zeigen, dass die wohlbekannten Spektrallinien der Elemente in diesen nicht an den üblichen Stellen erscheinen, sondern verschoben sind: sie erscheinen alle bei größeren Wellenlängen als üblich. Die relative Verschiebung ist dabei für alle Wellenlängen dieselbe. Da „größere Wellenlänge“ einer „röteren“ Farbe entspricht (rotes Licht hat die längste Wellenlänge von allem sichtbaren Licht), wird dies als die (kosmologische) Rotverschiebung bezeichnet. Diese Rotverschiebung wurde erstmals 1926 von Hubble bemerkt, welcher außerdem der erste war, der überhaupt einzelne Sterne in anderen Galaxien identifizieren konnte (vorher wurde angenommen, diese wären nur Nebel innerhalb unserer eigenen Galaxis. (Hubble 1926)

Solche Verschiebungen sind sowohl für Schall als auch für Licht wohlbekannte Phänomene: sie treten ebenfalls auf, wenn sich das Objekt, das die Wellen aussendet, relativ zum Beobachter bewegt. Dies wird als Doppler-Effekt bezeichnet, wie schon in Abschnitt 1c erwähnt. Eine naheliegende Erklärung für die beobachtete Rotverschiebung ist also, dass sich all diese entfernten Galaxien relativ zu uns bewegen; die Verschiebung ins Rote bedeutet, dass sie sich von uns weg bewegen (Eine Blauverschiebung würde dagegen heißen, dass sie sich auf uns zu bewegen; dies sieht man beispielsweise im Spektrum der Andromeda-Galaxie, die sich aufgrund der Schwerkraft zwischen beiden auf unsere eigene Galaxis zu bewegt). Beachten Sie aber, dass die Erklärung als Doppler-Verschiebung nicht die ist, welche in der modernen Kosmologie für die Rotverschiebung benutzt – dies dient nur als eine vereinfachende Veranschaulichung dessen, was eigentlich vorgeht! Mehr dazu weiter unten.

1929 machte Hubble eine sehr wichtige Entdeckung, nachdem er die Rotverschiebungen von mehreren Galaxien genauer untersucht hatte  (Hubble 1929): die Rotverschiebung (und damit auch die Geschwindigkeit, mit der sich die Galaxien von uns weg bewegen – in der Doppler-Interpretation) ist direkt proportional zu den Entfernungen der Galaxien zu uns! Das heißt, man kann die einfach Gleichung

v = H * d,

aufstellen, worin v die Geschwindigkeit ist, mit der sich eine Galaxis von uns entfernt, d ihre Entfernung, und H eine Konstante (gleich für alle Galaxien), welche die Hubble-Konstante genannt wird (richtiger wäre eigentlich: der Hubble-Parameter, da dies nicht wirklich eine Konstante ist – siehe weiter unten). Zu jener Zeit gab es allerdings nur recht grobe Entfernungsmessungs-Methoden (Hubble benutzte beispielsweise Cepheiden, aber damals war die Beziehung zwischen Helligkeit und Oszillationsdauer noch nicht sehr genau bekannt). Mit diesen erhielt Hubble:

H = 500 Kilometer / Sekunde / Million Parsek.

Moderne Messungen haben gezeigt, dass dies viel zu groß ist; der momentan allgemein akzeptierte Wert ist etwa

H = 70 Kilometer / Sekunde / Million Parsek,

mit einer Unsicherheit der Messungen von weniger als 10%. Dieser moderne Wert stammt vor allem von Beobachtungen von Cepheiden und Supernovae vom Typ I (Mould et al. 2000).

Wir sehen also: je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto schneller entfernt sie sich von uns! Heutzutage wird dies durch die Urknall-Theorie erklärt, welche besagt, dass sich das ganze Universum ausdehnt. Stellen Sie sich das Universum als die Oberfläche eines Ballons vor, wobei die Galaxien fest an die Oberfläche gehaftet sind. Wenn der Ballon nun aufgeblasen wird, bewegen sich die Galaxien offensichtlich voneinander weg, und die relative Geschwindigkeit zwischen zwei Galaxien ist umso größer, je weiter sie voneinander entfernt sind. Die Urknall-Theorie sagt also nicht etwa, dass sich die Galaxien voneinander weg bewegen – sie sagt, dass sich der Raum zwischen ihnen vergrößert, dass sich der Raum selbst ausdehnt! In der Urknall-Theorie rührt die Rotverschiebung nicht vom Dopplereffekt her – sie tritt statt dessen auf, weil durch diese kosmische Expansion auch die Wellenlänge des Lichts, welches eine Galaxie aussendet, selbst gedehnt wird. Mehr zu diesen doch reichlich seltsam anmutenden Ideen findet sich beispielsweise in Ned Wright's cosmology tutorial.

Wie die Analogie mit dem sich aufblähenden Ballon bereits andeutet, führt die Interpretation der Rotverschiebung als durch die Expansion des Raumes selbst verursacht zu mehreren Abweichungen vom einfachen linearen Hubble-Gesetz oben: einerseits kann die Rotverschiebung für große Abstände nicht mehr nur einfach direkt proportional zum Abstand sein, da der Raum selbst “gekrümmt” ist; andererseits kann H nicht wirklich eine Konstante sein, sondern muss von der Zeit abhängen, da sich die „Aufblähungsrate“ des Ballons mit der Zeit ändert. Beide Effekte werden durch die Urknall-Theorie berücksichtigt, welche aus der Allgemeinen Relativitätstheorie folgt, indem man einige naheliegende Annahmen über die Natur des Universums trifft (wie beispielsweise das kosmologische Prinzip: das Universum sieht überall und in alle Richtungen gleich aus – dies stimmt in der Tat, wenn man wirklich große Skalen, mehrere 100 Millionen Lichtjahre, betrachtet; und die Arten von Materie und Energie im Universum).

Damit hat man also prinzipiell eine sehr einfache Methode, um die Entfernung von sehr weit entfernten Galaxien zu bestimmen: man muss nur ihre Rotverschiebung messen und den gemessenen Wert in eine Formel einsetzen, welche die Urknall-Theorie zur Verfügung stellt (ähnlich dem einfachen Hubble-Gesetz oben, aber komplizierter, da mehr Effekte berücksichtigt werden müssen) – und schon hat man die Entfernung. Allerdings sind die kosmologischen Parameter, die in diese Formel eingehen (der Hubble-Parameter, die Menge an Materie und Dunkler Energie im Universum usw.), leider immer noch nicht mit allzu guter Genauigkeit bekannt, und so sind die Abstände, die mit dieser Methode bestimmt werden, nicht so verlässlich wie die aus anderen Methoden (die Unsicherheiten können bis zu 20% betragen). Aber nichtsdestotrotz ist die Methode nützlich, um zumindest eine Abschätzung für die Entfernung zu erhalten, wenn man keine komplizierteren Methoden benützen will (oder die Zeit oder die Ausrüstung dafür nicht hat).

Wenn in der Presse über Entfernungsmessungen, die mit dieser Methode durchgeführt wurden, berichtet wird, wird meist allerdings leider nur die berechnete Entfernung angegeben, weder die gemessene Rotverschiebung noch die benutzten kosmologischen Parameter. Dies kann dazu führen, dass in verschiedenen Veröffentlichungen für ein und dasselbe Objekt verschiedene Entfernung genannt werden. Vergleichen Sie beispielsweise den Artikel Galaxy's light pushes back dark ages of the universe mit New record for Universe's most distant object. Beide sind über dasselbe Objekt und dieselbe Untersuchung, aber trotzdem nennt der erstere eine Entfernung von 15,5 Milliarden Lichtjahren, der zweite dagegen 13,6 Milliarden Lichtjahre!

Eine weitere Komplikation entsteht oft dadurch, dass gar nicht klar ist, was hier eigentlich mit „Entfernung” gemeint ist. Oft wird nicht die „wirkliche“ Entfernung genannt, welche die Galaxie heute von uns hat, sondern die Zeit, die ihr Licht benötigte, um zu uns zu gelangen. Außerdem gibt es in der Kosmologie auch noch die sogenannte „Leuchtkraft-Entfernung“ und mehrere weitere. Wenn man einen Artikel in der populärwissenschaftlichen Presse liest, muss man also sehr vorsichtig damit sein, was dort jeweils mit „Entfernung“ eigentlich gemeint ist! Siehe dazu auch den Abschnitt Many Distances in Ned Wright cosmology tutorial.

5) Zusammenfassung

·         Geometrische Parallaxen wurden für Entfernungen bis zu mehr als tausend Lichtjahren gemessen. Bereits in den nächsten Jahren, nach dem Start von GAIA, wird dies für Entfernungen von mehr als 30 000 Lichtjahren möglich sein.

·         Auch für Objekte, die sich in Entfernungen von tausenden, Millionen oder sogar Milliarden von Lichtjahren befinden, gibt es geometrische Entfernungsmessungs-Methoden, indem man vernünftige physikalische Modelle für die beobachteten Objekte erstellt.

·         Andere Methoden beruhen auf gut gesicherten Modellen dazu, was Sterne eigentlich sind und wie sie sich während ihres „Lebens” verändern. Zumindest die Milliarden von Sternen in unser eigenen Galaxis müssen –zig tausend Lichtjahre entfernt sein (wenn sie denn tatsächlich Sterne sind und nicht nur geheimnisvolle Lichtpunkte am Himmel ;-)).

·         Um die Entfernungen für sehr ferne Objekte zu bestimmen, benutzt man gut untersuchte „Standardkerzen”.

·         Alle bisherigen Entdeckungen sind mit den Vorhersagen der Sternentwicklungs-Theorie und der Urknall-Theorie konsistent.

Schließlich und endlich sollte man sich bewusst machen, dass die Entfernungsbestimmungs-Methoden zwar sehr stark aufeinander aufzubauen scheinen (wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird eine Art “Leiter” verschiedener Methoden verwendet). Aber was man hier in Wirklichkeit hat, ist ein ganzes Netzwerk von sich sowohl selbst korrigierenden als auch ineinander greifenden Methoden, die alle zu denselben Ergebnissen kommen. All die Annahmen, auf denen die Methoden beruhen, werden also letztlich dadurch gerechtfertigt, dass man konsistente Ergebnisse erhält, wenn man sie benutzt.

Literatur

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Eisenhauer F. et al, A Geometric Determination of the Distance to the Galactic Center (2003).http://xxx.lanl.gov/abs/astro-ph/0306220

Herrnstein, J. R. et al., A geometric distance to the galaxy NGC4258 from orbital motions in a nuclear gas disk, Nature 400, 539 (1999). http://www.nature.com/cgi-taf/DynaPage.taf?file=/nature/journal/v400/n6744/abs/400539a0_fs.html

Homan, D.C. and J. F. C. Wardle, Direct distance measurements to superluminal radio sources, Astrophysical Journal 535, 575 (2000). http://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-bib_query?bibcode=2000ApJ...535..575H

Hubble, E. P., A Spiral Nebula as a Stellar System. Messier 33, Astrophysical Journal 63, 236 (1926). http://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-bib_query?bibcode=1926ApJ....63..236H

Hubble, E. P., A relation between distance and radial velocity among extra-galactic nebulae, Proceedings of the National Academy of Sciences 15 (1929). http://antwrp.gsfc.nasa.gov/diamond_jubilee/1996/hub_1929.html

Mould, J. R. et al., The Hubble Space Telescope Key Project on the Extragalactic Distance Scale. XXVIII. Combining the constraints on the Hubble constant, Astrophysical Journal 529, 786 (2000). http://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-bib_query?bibcode=2000ApJ...529..786M

Panagia, N. et al., Properties of the SN 1987A circumstellar ring and the distance to the Large Magellanic Cloud, Astrophysical Journal 380, L23-26 (1991) http://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-bib_query?bibcode=1991ApJ...380L..23P ; Sky & Telescope, February 1997.

Riess, A. G. et al., Observational evidence from supernovae for an accelerating universe and a cosmological constant, Astronomical Journal 116, 1009 (1998). http://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-bib_query?bibcode=1998AJ....116.1009R

Danksagung

Ich danke Steve Carlip, Dan Day, Jon Fleming, Michael Hopkins, Tom Scharle, Phill Skelton und Arne Vogel für viele wertvolle Kommentare, Verbesserungen und Ergänzungen.